Die Galerie mit den historischen Bildern aus dem Adventskalender-Gewinnspiel hat ein großes Echo gefunden. Die alten Ansichten von Straßen, Gebäuden und Geschäften haben nicht nur ältere Korbacherinnen und Korbacher offensichtlich tief berührt. Bemerkenswert sachlich aber auch mit einem guten Schuss Emotion wird die Entwicklung unserer Stadt zur Zeit in der Facebook-Gruppe „Korbacher News aktuelles und Diskussionen“ debattiert.
Manche sind mit Blick auf die gute alte Zeit der Ansicht, dass Korbach früher viel schöner war. Ist das so? Hier und da mag das vielleicht berechtigt klingen. Beim „Loch“ zum Beispiel. Dafür musste unter anderen das markante Postgebäude weichen. Ein ähnliches Schicksal drohte übrigens der heutigen Stadtbücherei vis-à-vis dem Rathaus. Da war die Abrissbirne schon am Werk, förderte dann aber ein bis dahin unsichtbares Fachwerk zu Tage. Zum Glück! Nach einer aufwändigen Sanierung ist dieses Gebäude ein echtes Juwel unserer Altstadt.
Vieles richtig gemacht
Auch die alte Post am Berndorfer Tor hätten schon damals gerne viele erhalten. Vielleicht wären andere Lösungen möglich gewesen. Aber zweifellos hat die mit dem Bau der Fußgängerzone notwendig gewordene Umgestaltung der Innenstadt Korbachs zentrale Funktion als Einkaufsziel einer ganzen Region deutlich gestärkt.
Nachdem 1953 mit der Treppenstraße in Kassel die bundesweit erste Fußgängerzone entstand, waren autofreie Einkaufszonen in den Siebzigern fast überall ein großer Trend. Das lag nicht zuletzt an üppigen EU-Fördermitteln, die Deutschlands Innenstädte zukunftsfähig machen sollten. Dieses Ziel wurde nicht überall in den nachfolgenden Jahren so konsequent und erfolgreich verfolgt wie in Korbach.
In manchen Städten entstanden schon bald Einkaufszentren auf der „grünen Wiese“, die mit großflächigen Märkten und kostenfreien Parkplätzen vielerorts Kaufkraft aus den traditionellen Zentren absaugten und zu einer „Verödung“ der Innenstadt führten.
Kaufland ja, aber zentrumsnah
In Korbach hat sich vor allem die damalige Werbegemeinschaft und spätere Korbacher Hanse gegen eine solche Entwicklung gestemmt. So erfolgreich, dass ihr heute oft ein Ruf als „Verhinderer“ anhaftet, was jedoch nicht den Tatsachen entspricht. So sollte zum Beispiel das "Kaufland"-Kaufhaus seinerzeit weitab der Innenstadt an der Briloner Landstraße entstehen und Ankerpunkt für weitere, sogenannte einzelhandelsrelevante Sortimente werden. Dagegen rebellierten die in der Werbegemeinschaft organisierten und meist alteingesessenen Fachgeschäfte der Innenstadt und sie forderten: „Kaufland ja, aber nur zentrumsnah!“ Mit Erfolg, wie man heute sieht.
Die Stärkung des Zentrums war und ist seit eh und je wichtigstes Ziel der Korbacher Hanse. Es gab Zeiten, da wurden seitens der Hanse, und auch unter Mitwirkung hiesiger Modespezialisten und der Wirtschaftsförderung, die Fühler in Richtung H&M ausgestreckt. Zu gerne hätten alle Beteiligten diesen angesagten Filialisten im Zentrum der Hansestadt gesehen. Aber alle Bemühungen scheiterten stets an zentral gelegenen Flächen in ausreichender Größe.
Einfach war es nie
Heute ist es der Onlinehandel, der den innerstädtischen stationären Einzelhandel stark unter Druck setzt. Aber einfach war es für Korbach nie. Die Sandwich-Lage zwischen den großen Einkaufsstädten wie Kassel und Paderborn stellte Korbach in der Vergangenheit mit zunehmender Mobilität der Einzelhandelskunden vor große Herausforderungen. Der Bau und die spätere Erweiterung der Fußgängerzone war entscheidend für die Wahrnehmung Korbachs als attraktives Einkaufsziel. Das alleine reichte aber längst nicht, um die Innenstadt nachhaltig konkurrenzfähig zu machen. Ein verändertes Ladenschlussgesetz brachte Korbach zu Beginn der 1990er Jahre erneut stark in Bedrängnis. Da in Kassel und Paderborn viele Geschäfte nun bis 20 Uhr geöffnet hatten, lohnte sich für Berufstägige nach Feierabend ein Ausflug in die benachbarten Zentren. Die Korbacher Einzelhändler zogen nach. Mit dem „langen Donnerstag“ sowie verlängerten und vereinheitlichten Öffnungszeiten an den Samstagen verteidigten sie die Rolle Korbachs als Einkaufsziel der Region.
Heute wünschen sich viele Städte ähnlicher Größe eine Innenstadt, wie wir sie in Korbach haben. Dabei hätten wir in Korbach manches sicher gerne auch ein wenig anders. So wurde der Begriff „Einkaufsmeile“ hier vielleicht ein bisschen zu wörtlich genommen. Mit etwas mehr als einem halben Kilometer misst die Fußgängerzone zwar noch keine Meile, ist aber doch schon verdammt lang. Schön wäre stattdessen ein zentraler – und ebenerdiger – Platz für Veranstaltungen wie einen Weihnachtsmarkt. Die Korbacher Hanse steht bei ihren Veranstaltungen in der Fußgängerzone stets vor dem Problem, die jeweiligen Stände, Aktionen und Programmpunkte so clever auf der „Meile“ anzuordnen, dass ein einigermaßen geschlossenes Marktbild entstehen kann. Fallen dann kurzfristig bereits zugesagte Marktstände weg, wie zuletzt beim Street Food Festival im November 2019, kommt es sofort zu unschönen „Lücken“ im Veranstaltungskonzept.
Die Entwicklung geht weiter
Korbach hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten zweifellos stark verändert. Auch in Zukunft wird man sich immer wieder neuen Herausforderungen stellen und auf neue Entwicklungen reagieren müssen. Eine gewaltige Chance ergibt sich dabei durch die anstehende Sanierung der Prof.-Bier-Straße. Wenn es den Stadtplanern gelingt, dem ältesten Abschnitt der Fußgängerzone ein wenig von dem Charme des alten Korbachs zu verleihen, kann dieser Bereich zu einem überaus attraktiven Bindeglied zwischen modernem Zentrum und historischer Altstadt werden. Das würde Korbachs Stellung als Einkaufsziel inmitten einer attraktiven Tourismusregion nachhaltig stärken.
Und vielleicht erinnert man sich im Zuge der anstehenden Umgestaltung der Prof.-Bier-Straße auch an das Portal des alten Postgebäudes. Diese wurde – Gerüchten zufolge – nach dem Abriss irgendwo eingelagert, um bei sich bietender Gelegenheit an geeigneter Stelle wieder in das Stadtbild integriert zu werden. Schön wär’s!