Interview: Nikolai-Vörtel

Über die Hintergründe der Idee zum Nikolai-Vörtel sprachen Werner Hankel und Ann-Kathrin Gräbe für FREU DICH AUF KORBACH mit Werner Niederquell, der das Projekt als Wirtschaftsförderer der Stadt Korbach von Anfang an begleitete.

REDAKTION: Was hat es mit dem neuen Nikolai-Viertel für Korbach auf sich, Herr Niederquell?

WERNER NIEDERQUELL: Ausgangspunkt der Überlegungen war eigentlich die sog. „Zwei-Pole-Strategie“, die 2005 aufgebaut und seit 2012 weiterentwickelt worden ist und deren zwei Pole am „Hauptbahnhof“ und in der „Altstadt“ zu finden sind.

Nachdem die Investitionen sich in den letzten Jahren im Bereich der Bahnhofstraße, Hanseplatz und Bahnhofsbereich konzentriert haben, musste nun etwas in der Altstadt geschehen, um den Zusammenhalt zwischen „modernen“ Einkaufszentrum und historischer Altstadt nicht zu gefährden.

 

REDAKTION: Was soll mit dem Nikolai-Viertel erreicht werden?

WERNER NIEDERQUELL: Das Nikolai-Viertel, nun ein klar abgegrenzter räumlicher Bereich in der Altstadt, sollte durch ein geeignetes Entwicklungskonzept qualitativ aufgewertet werden, um gemeinsam an der (ökonomischen) Zukunftsfähigkeit zu arbeiten, das Viertel im (externen und internen) Standortwettbewerb zu positionieren, die Wertschätzung des Nikolai-Viertels zu steigern und die Eigenverantwortung und Eigeninitiative zu fördern. Hiermit verbunden sind natürlich auch eine Erhöhung der Aufenthaltsqualität und die Hervorhebung des Facettenreichtums im Nikolai-Viertel.

 

REDAKTION: Wie genau hat sich das Konzept des Nikolai-Viertels entwickelt?

WERNER NIEDERQUELL: In verschiedenen Arbeitsgruppen (Lenkungsteam und Labore) wurden in den Jahren 2017/18 bis Anfang 2019 in den Schwerpunktthemen „Positionierung + Profil“, „Branchenmix + Angebote“, Städtebau + Gestaltung“ sowie „Marketing + Aktionen“ jeweils Ziele und Maßnahmen erarbeitet. Die Arbeit dieser gut zwei Jahre mündete letztlich in ein sog. „Handlungskonzept zur Einrichtung eines Innovationsbereiches“. Dieses Handlungskonzept beinhaltet neben verschiedenen Maßnahmen in den vorgenannten Themenbereichen auch einen klar strukturierten Finanzierungsplan verteilt auf fünf Jahre.

»Wenn ein zusätzlicher Teil der Einkaufsstadt positiv belegt ist, hat das auch einen positiven Einfluss auf die Magnetkraft der Einkaufsstadt als Ganzes.«

REDAKTION: Was war der Anlass dafür, diesem Bereich der Innenstadt als Nikolai-Viertel ein eigenes Gesicht zu geben?

WERNER NIEDERQUELL: Der formale Anlass war in der Tat ein Fördermittelwettbewerb des Landes Hessen, „INGE“ genannt. An diesem Wettbewerb haben sich die Korbacher Hanse und die Wirtschaftsförderungsgesellschaft beteiligt und letztlich einen ansehnlichen Fördermittelbescheid vom Land Hessen erhalten. Damit konnte der Arbeitsprozess, wie oben beschrieben, starten. Wohlgemerkt: Die Fördergelder konnten ausschließlich zur Konzeptentwicklung eingesetzt werden, bis hin zum Ergebnis des schriftlich fixierten Handlungskonzeptes.

Ein weiterer Anlass war aber auch die Motivation, das Nikolai-Viertel als eigenständiges Stadtquartier qualitativ aufzuwerten, mit allen positiven Effekten der Belebung als Einkaufsbereich, Erhöhung der Aufenthaltsqualität, Aufwertung der Immobilien und des öffentlichen Raums (Neubau Rathaus, Renovierung FGZ-Prof.-Bier-Straße passen ins Konzept). Ganz wichtig war uns Akteuren immer die Sichtweise der Entwicklung dieses Stadtquartiers unter dem Aspekt der Ganzheitlichkeit, d.h. das Nikolai-Viertel ist Teil eines Ganzen, nämlich ein Teil der ganzen Einkaufsstadt Korbach. Wenn ein zusätzlicher Teil der Einkaufsstadt positiv belegt ist, hat das auch einen positiven Einfluss auf die Magnetkraft der Einkaufsstadt als Ganzes. Das kommt dann wieder allen Gewerbetreibenden und Bürgern zu Gute.

»Qualitätsvoll, authentisch, ehrlich, einladend – diese Merkmale gilt es nun als "PS" auf die Straße zu bringen«

REDAKTION: Vor über einem Jahr erklärte die Lokalpresse das Projekt für gescheitert. Wie sehen Sie den aktuellen Stand heute?

WERNER NIEDERQUELL: Da wurde leider ein Bild vermittelt, das so nicht ganz stimmt. Zwar wurde das Umlagemodell zur Finanzierung weiterer Maßnahmen durch das Stadtparlament abgelehnt, das starke Engagement aller Beteiligten mit der Entschlossenheit die gesetzten Ziele auch unabhängig davon weiterzuverfolgen, darf man als großen Erfolg verbuchen.

 

REDAKTION: Was hatte es mit dem Umlagemodell auf sich?

WERNER NIEDERQUELL: Nach der Entwicklung und schriftlichen Fixierung des Handlungskonzeptes gab es zwei Pfade der Entscheidung. 1. Pfad: das Maßnahmen- und Finanzierungskonzept konnte auf verpflichtender Basis umgesetzt werden, d.h. es hätten Beiträge auf Basis von Einheitswerten erhoben werden können. Dieser Weg wurde aus politischen Überlegungen nicht eingeschlagen. Vielmehr haben wir das Konzept angepasst, so dass die Möglichkeit gegeben war, die Maßnahmen auf freiwilliger Basis umzusetzen (2.Pfad). Hier hat sich die Wirtschaftsförderung stark eingebracht, sowohl was die monetäre Seite betrifft, als auch die Steuerung des Prozesses.

 

REDAKTION: Was zeichnet das Nikolai-Viertel aus? Was ist die Idee dahinter?

WERNER NIEDERQUELL: Alle am Prozess Beteiligten sind sich darüber einig, dass das Nikolai-Viertel innerhalb der Einkaufsstadt Korbach als „gute Stube“ zu betrachten ist. Das haben wir auch bei der Positionierung des Markenkerns deutlich gemacht, der folgende Attribute aufweist: „traditionell“ + „historisches Herz“ = qualitätsvoll, authentisch, ehrlich, einladend. Diese Merkmale gilt es nun sozusagen „als PS auf die Straße zu bringen“.

 

REDAKTION: Was lässt sich in Zukunft mit dem Nikolai-Viertel aufbauen? Wie geht es jetzt weiter?

WERNER NIEDERQUELL: Wenn man die Prof.-Bier-Straße innerhalb dieses historischen Herzens als Hauptschlagader versteht, mit den vielfältigen alteingesessenen inhabergeführten Fachgeschäften, so werden hier die ersten Maßnahmen beginnen – der kleine Mittwochs-Markt war ja schon ein ausgezeichneter Anfang. Nach und nach gehen nun weitere Maßnahmen aus dem Handlungskonzept an den Start. Zur Belebung angrenzender Bereiche sind Veranstaltungen geplant. In der „guten Stube“ dürfen natürlich auch weitere gastronomische Angebote sowie kleinteiliger Einzelhandel für Souvenirs und Boutiquen nicht fehlen. Aber da müssen schon dickere Bretter gebohrt werden, das ist eher ein mittel- bis langfristiger Prozess.

 

REDAKTION: ... für den wir Ihnen schon jetzt viel Erfolg wünschen. Herzlichen Dank für Ihre ausführliche Darstellung der Konzeptentwicklung für das Nikolai-Vörtel, Herr Niederquell.