Mensch, Manni: Der Boxer (Teil 1)

An runden Geburtstagen werden Erinnerungen wach. Wenn Manfred Jassmann am 6. Juli seinen siebzigsten feiert, kann er auf ein Leben voller Höhepunkte aber auch Tiefen zurückblicken. 1980 war eines der glanzvollsten Jahre: Die Stadt Korbach bereitete dem Nationalstaffel-Boxer einen großen Empfang. Der damalige Bürgermeister Wolfgang Bonhage und TSV-Funktionär Otto Lange gratulierten dem damals 28-jährigen Manni.

Ein siebzigster Geburtstag ist schon etwas Besonderes. Die bayerische Staatskanzlei versendet zu diesem Anlass Glückwünsche des Ministerpräsidenten an die betagten Geburtstagskinder. Da kann es schon mal vorkommen, dass Markus Söder einer Rotlichtgröße aus der Halbwelt zum Erreichten gratuliert. So war es erst kürzlich in der BILD nachzulesen.

Wir Hessen schauen da schon genauer hin. Vor allem dann, wenn es gilt, einen bekannten Korbacher Namen zu ehren. Manfred Jassmann, zum Beispiel. Der feiert am 6. Juli seinen Siebzigsten. Auch von Manni war schon in der BIlD zu lesen. Noch viel öfter jedoch sah man ihm im Fernsehen. Im aktuellen Sportstudio des ZDF war Korbach zu Beginn der 1980er Jahre fast ein Dauerthema. Das war auch Mannis Verdienst. Mit seinem Bruder Reinhard und vielen weiteren Mitstreitern brachte er Korbach in die Bundesliga der Amateurboxer.

Status hin oder her: Manni und Reinhard waren alles andere als Amateure. Sie verstanden etwas von ihrem Handwerk und trugen erheblich dazu bei, dass die Korbacherinnen und Korbacher in jeder Saison aufs Neue vom Titel träumen durften. Nah dran war es oft. Geschafft wurde es nie. Egal. Korbach war im Boxfieber und ganz Deutschland fieberte mit.

Wir schauen mit Manni zurück, auf sein Leben und auf seine Erfolge als Boxer.

Mensch, Manni

1952 erblickte Manni das Licht der Welt in einer Bundesrepublik, die nur wenige Jahre älter war. Als Manni mit 22 der Korbacher Boxstaffel beitrat, hatte er schon einige Kämpfe auf dem Buckel. Auf dem Bauernhof der Großfamilie mit zahlreichen Brüdern wurde selten lange gefackelt.

»Arbeit, Arbeit, Arbeit«, fasst Manni seine Kindheitserinnerungen zusammen. Schule kam allenfalls an zweiter Stelle. Dass er so groß und stark wurde, hat Manni vor allem seiner Mutter zu verdanken. Es war ihr Verdienst, dass die Jassmänner und -frauen immer satt wurden und die Kinder aus der Nachbarschaft gleich mit.

Als es mit dem Boxen losging, war Mannis Vater - vorsichtig ausgedrückt – nicht gerade begeistert. Sonntags ging es in der heimischen Waschküche rund. Für das erste »richtige« Boxtraining fuhr Manni im Alter von 16 Jahren bis nach Bad Wildungen. Seine Erwartungen wurden aber nicht erfüllt. Der Trainer war nur selten anwesend. Eine Weile machte Manni noch mit ein paar Freunden auf eigene Faust weiter, bevor die junge Boxkarriere zum Erliegen kam.

Die Chance zum Neuanfang bot sich 1972 in Mannis Heimatstadt. Es war ein glücklicher Zufall, dass es Hans Hillmann als Sportdezernent in den Landkreis verschlug. Das Nordlicht hatte als Nato-Meister und Olympiatrainer schon ordentlich Boxerfahrung in den Fäusten und eine feine Nase für Talente. Er erkannte das Potential der Jassmänner und nahm die schlagkräftige Truppe unter seine Fittiche. Die Boxstaffel des TV Korbach war geboren.

Manni erinnert sich noch gut an das erste Training. Er hatte solchen Muskelkater, dass ihn sein Beifahrer bei der Bundeswehr in den Lkw heben musste. Aber das war erst der Anfang. Das Trainingsprogramm mit bis zu fünf Einheiten pro Woche kostete Überwindung und Gewicht. In fünf Monaten nahm Manni dreizehn Kilo ab. Etwas zu viel des Guten. Sein erster Gegner brachte zehn Pfund mehr auf die Waage. Noch schwerer wog dessen Erfahrung aus 14 Kämpfen. Manni trotzte ihm dennoch ein Unentschieden ab. Weil er die dritte Runde klar für sich entscheiden konnte, verzichtete sein Gegner lieber auf eine Revanche.

Zum tierischen Muskelkater kamen noch Knieprobleme, als Manni am 15. Mai 1973 erstmals in der Kreissporthalle antrat. Vor großem Publikum. Siebenhundert zahlende Zuschauer wollten Mannis Kampf gegen den 13-fachen Hessenmeister Günther Swientek sehen. Die Halle kochte. Swientek hatte schon über 280 Kämpfe vorzuweisen. Zu wenig gegen Manni. Drei mal ging Günther Swientek zu Boden und wurde am Ende dennoch zum Sieger gekürt. Für Manni eine bittere Niederlage, aber auch eine wichtige Lektion. Wenn irgendmöglich, überließ er die Entscheidung nicht mehr den Punktrichtern. Bei den hessischen und südwestdeutschen Meisterschaften schickte er Swientek nach zwei Runden auf die Bretter. Länger brauchte er auch nicht für den dritten Platz bei den deutschen Meisterschaften in Berlin. Das beeindruckte sogar den Vize-Trainer der Nationalmannschaft: »Wo hast du diese Rechte her?«, wollte Julian Neuding wissen. »Von Max Schmeling gegen Joe Louis«, verriet Manni. Das hatte er sich abgeschaut und geübt.

Auf Günther Swientek hält Manni bis heute große Stücke: "Der konnte boxen." Manni aber auch.

TEIL 2 folgt: Die Bundesligazeit

Foto: 1978 gratuliert der damalige Bürgermeister Wolfgang Bonhage (mitte) zusammen mit TV-Vorstand Otto Lange (rechts) anlässlich eines Empfangs im Korbacher Rathaus. (Foto: Holger Nagel)

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